Wer zum Fuchs ist … Jeremiah Thoronka?!

https://greentechfestival.com/awards/ Screenshot 21.06.2023

Sollte man den kennen?

Eigentlich schon. Denn: Am 14. Juni 2023 erhielt Jeremiah Thoronka aus Sierra Leone auf dem Greentech-Festival (GTF), nach eigenen Angaben Europas größtes Nachhaltigkeits-Festival, in Berlin einen Preis als Erfinder eines revolutionären Energieerzeugungssystems. Einer Veranstaltung auf der (lt. Pressemitteilung) Dr. Robert Habeck als Gastredner das Publikum begeistert hat.

Im Alter von 17 Jahren, also vor mehr als fünf Jahren, will der mittlerweile 23-Jährige Student ein Gerät erfunden haben, das die Vibrationen von Fußgängern und Verkehr an belebten Straßen auffängt und in Elektrizität umwandelt. Mit nur zwei Geräten soll sein Start-up Optim Energy in einem Pilotprojekt mittlerweile fünfzehn Schulen mit insgesamt mehr als 9.000 Schülern und 150 Haushalte mit rund 1.500 Haushaltsangehörigen in Freetown, Hauptstadt von Sierra Leone, kostenlos mit Strom versorgen. Mit sauberem Strom.

Das klingt revolutionär.

https://globalteacherprize.org/pages/jeremiah-thoronka-2021 Screenshot 22.06.2023

Schon 2021 gewann Thoronka mit seiner Erfindung den immerhin mit $100.000 dotierten Chegg.org Global Student Prize. Er hatte Auftritte bei der Climate Overshoot Commission, dem Clean Growth Leadership Network, bei der UNESCO und besuchte im Mai 2022 Papst Franziskus in Rom. Diversen Angaben zufolge ist er Fellow der United Nations Academic Impact Millennium und gilt außerdem als einer der vom WWF benannten Top 100 Young African Conservation Leaders.

Aber worauf beruht Thoronkas bahnbrechende Entwicklung? — Wie diversen Beschreibungen zu entnehmen ist: Auf dem Piezo-, also dem piezoelektrischen Effekt.

Dieser ist nun nicht neu, sondern wurde bereits 1880 von den Brüdern Jacques und Pierre Curie entdeckt. Er beschreibt die Änderung der elektrischen Polarisation und somit das Auftreten einer elektrischen Spannung an Festkörpern, wenn sie elastisch verformt werden.

Das Problem: Die durch den Piezo-Effekt erzeugten elektrischen Ladungen liegen im Kleinstbereich, die Ausbeute, die sog. Ernte (Energy Harvesting), beträgt wie bei photo- oder thermoelektrischen Effekten nur einige wenige Milliwatt. Das wird gerade beim Piezo-Element besonders gut deutlich wenn man sich vergegenwärtigt, daß Energie nicht im eigentlichen Sinne erzeugt, sondern nur von einer Form in eine andere Form umgewandelt werden kann. (Unter Inkaufnahme unvermeidlicher Verluste.) Es ist lediglich der ausgeübte Druck, der für die Umwandlung zur Verfügung steht.

Piezo-Technik hat ein zwar gut etabliertes, interessantes aber auch nur schmales Anwendungsfeld in der Meß- und Regelungstechnik oder auch bei sich selbstversorgenden Kleinsystemen. Bspw. kann mit piezoelektrischen Elementen im Körper eines Meschen die Batterie seines Herzschrittmachers geladen werden. Oder in Tintenstrahldruckern, die oft den sog. inversen Piezo-Effekt nutzen, um winzige Tintentröpfchen auf das Papier zu sprühen.

Überall da, wo es auf größere Energiemengen ankommt, ist Piezotechnik deswegen nicht zu finden.

Ein einzelnes Piezo-Element ist klein, relativ billig, bringt aber auch nur eine kleine Ausbeute. Für eine Anlage, die fünfzehn Schulen mit insgesamt mehr als 9.000 Schülern und 150 Haushalte mit rund 1.500 Haushaltsangehörigen mit Energie versorgt, müssen also sehr viele dieser Elemente zusammengeschaltet werden. Das macht diese Anlage sehr groß und damit auch sehr teuer. Dazu wird außerdem noch Peripherie benötigt: Es reicht ja nicht, die Energie abzuzapfen. Sie müßte auch aufwändig zwischengespeichert werden um einen konstanten Stromfluß, ohne den die meisten Elektrogeräte gar nicht funktionieren, vozuhalten. Auch wenn eine Familie in Sierra Leone einen deutlich niedrigeren Energieverbrauch als eine Familie bspw. in Deutschland hat, wäre der Aufwand immer noch immens.

Hätte Thoronka all diese Probleme mit seiner Entwicklung gelöst, so wäre das eine wirkliche Sensation!

Aber es scheint weltweit niemanden zu geben, der Thoronkas Pilotanlage schon mal mit eigenen Augen gesehen hat. Nirgendwo findet sich der geringste Hinweis, keine Fotos, Videos, nichts. Und das in Zeiten der Allgegenwart von Smartphones mit Kameras. Nur ein paar allgemeine Beschreibungen des Piezo-Effekts sowie PR-Material. Für eine derart bahnbrechende Entwicklung mehr als seltsam.

Wie ich schon einmal schrieb: Wenn es zu etwas keine glaubhaften Augenzeugen gibt — obwohl es welche geben könnte oder gar müßte — dann ist allerhöchste Vorsicht geboten!

Die Alchemie der Postmoderne ist klimaneutrale, günstige Energie in ausreichender Menge. Wie im Mittelalter sind die wahren Meister dieses Metiers jene, die auch den größten Unsinn noch als wahr verkaufen können, weil sie auf ein allzu glaubensbereites Publikum stoßen. Mit dem Unterschied, daß es die Menschen im Mittelalter nicht besser wußten.

Stromerzeugende Fernseher, Strom aus Umgebungswärme oder, wie hier, Strom aus Vibrationen — das Versprechen muß nur abenteuerlich genug sein, um alle Zweifel schwinden zu lassen.


Mittlerweile haben die Macher des Greentech-Festival mit einer Pressemitteilung reagiert:

Das Projekt Optim Energy lief von 2017 bis 2021 und ließ sich nicht mehr vor Ort besichtigen.

Mit anderen Worten: Keiner der Juroren hat das Projekt jemals mit eigenen Augen gesehen. Die Anlage existiert nicht mehr, es gibt auch keine Überreste, keine Videos, keine Fotos, keine Konstruktionspläne, nichts. Von den 150 Familien, die von dem Projekt profitiert haben sollen, war ganz offenbar auch niemand mehr aufzutreiben.

Ganz so, als hätte es die bahnbrechende Entwicklung des Jeremiah Thoronka nie gegeben.

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