Rätselhaftes »Meerwunder«

Albrecht Dürer, Das Meerwunder, um 1498

Als Albrecht Dürer (* 1471, † 1528) um 1498 diesen Kupferstich schuf, wußten seine Zeitgenossen vermutlich, was er darstellt. Allerdings ging dieses Wissen über die Jahrhunderte verloren. Heute steht nur noch fest, daß sich der Stich auf eine Sage oder Legende bezieht.

Aber auf welche? — Vorschläge gibt es so einige: Der Raub der Amymone, Glaukos raubt Syme oder Acheloos und Perimela? — Keine der Deutungen ist wirklich überzeugend.

Der Nürnberger Schuhmacher, Spruchdichter, Meistersinger und Dramatiker Hans Sachs (* 1494, † 1576) greift in einem Lied die Legende der Langobardenkönigin Theodelinde auf. Theodelinde wird als Selige verehrt. Das muß auch nicht viel zu sagen haben zeigt aber, daß die Legende im Nürnberg der damaligen Zeit eine gewisse Bekanntheit besaß. Sie findet sich unter dem Titel Meerwunder auch im Dresdener Heldenbuch von 1472, welches vermutlich in Nürnberg entstand.

Oder spielt doch die Ursprungssage der Merowinger eine Rolle?

Was aber, wenn Dürer sich überhaupt nichts bei seinem Kupferstich gedacht hat? — Wenn das Bild gar keinen konkreten Hintergrund hat sondern Dürer einfach nur eine damals gängige volkstümliche Vorstellung von Nixen und Wassermännern visualisierte?

Egal. Jedenfalls rätseln jetzt auch die Franzosen mit. Denn noch bis zum 2. Oktober wird der Stich zusammen mit rund 200 anderen Werken Dürers auf einer großen Ausstellung des Musée de Condé auf Schloss Chantilly bei Paris gezeigt.

Übrigens: Seine Gemälde machten Dürer bis heute bekannt und beliebt. Wie bspw. das 1506 geschaffene Altarbild Rosenkranzfest, welches ihn fast schlagartig in ganz Europa bekannt machte:

Der Titel des Bildes ist übrigens modern und auch etwas irreführend: Das Rosenkranzfest hat damit nichts zu tun, das wurde erst 1572, also mehr als 40 Jahre nach Dürers Tod, eingeführt. Tatsächlich stellt das Bild die Rosenkranzbruderschaft als universelle Gebetsbruderschaft dar.

Sein Geld verdiente Dürer allerdings mit Kupferstichen und Holzschnitten, die über ein Netzwerk in ganz Europa vertrieben wurden. Angesichts der farbsatten Malerei, mit der der Begriff der Renaissance gedanklich oft verbunden wird, wirkt der Untertitel der französichen Ausstellung — Gravure et Renaissance — doch ganz schön listig.

Auf dem Rosenkranzfest findet sich übrigens auch Dürer selbst: Er ist der, der rechts am Baum steht.

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