»Wenn Du mich siehst, dann [weine]«

Die sog. Hungersteine bezeichnen markante Gesteinsformationen, Steine oder Tafeln in Flüssen, die nur bei besonders niedrigen Wasserständen zutage treten und mit Jahreszahlen oder Inschriften versehen sind (hydrologische Denkmäler). Diese erinnern an extreme Niedrigwasserperioden sowie die damit verbundenen Notzeiten als Folge von Dürren und ausbleibender Schiffbarkeit. Die Hungersteine sind damit die Gegenstücke zu Hochwassermarken. Die ältesten dokumentierten Hungersteine stammen aus dem 15. Jahrhundert. Historische Überlieferungen legen allerdings nahe, daß es auch schon im 11. Jahrhundert Hungersteine gegeben haben soll.

Manche Hungersteine tragen nicht nur Jahreszahlen sondern auch Inschriften, die auf die besondere Dramatik der Situation hinweisen sollen: Mädchen, weine und klage nicht, wenn es trocken ist, spritze das Feld (tschechisch: Neplač holka, nenaříkej, když je sucho, pole stříkej) oder auch Geht dieser Stein unter, wird das Leben wieder bunter. Die meisten Hungersteine sind in der Elbe bekannt, Es finden sich allerdings auch welche im Rhein, der Weser und der Mosel.

Übrigens: Trockenheit, Dürre, ist ein sehr disparates Phänomen. Es gibt Gegenden, auch in Deutschland, die "immer" trocken sind, in denen vergleichsweise wenig Niederschlag fällt. Die märkische Streusandbüchse hat ihren Namen nicht von ungefähr und Sachsen-Anhalt ist ganz allgemein ein eher trockenes Bundesland (durch den Regenschatten des Harzes). Der trockenste Ort Deutschlands ist Quedlinburg (Bodenfeuchte-Wert 19%), der nässeste Ort Garmisch-Partenkirchen (111%). Daran sieht man, daß die Spreizung doch enorm ist.

Auch innerhalb Thüringens ist das sehr verschieden: im Jahr 2022 wurde in Mittelhausen (bei Erfurt) ein Ertrag von 40 dt/ha bei Weizen erzielt. Im Raum Sömmerda hingegen betrug der Ertrag 58 dt/ha, lag also fast 50% höher. Obwohl der Boden in Mittelhausen deutlich besser ist, als der in Sömmerda. Die Ursache? — Unterschiede im Niederschlag auf kleinem Raum.

Berechnete Bodenfeuchte — Die Einteilung der Feuchtestufen erfolgt nach Sättigung der nutzbaren Feldkapazität (nFk). "ausserordentlich trocken" entspricht einer Sättigung der nFK zwischen 0 und 20%, "sehr trocken" zwischen 20 und 40%, "trocken" zwischen 40 und 60%, "feucht" zwischen 60 und 80% sowie "sehr feucht" einer Sättigung > 80%. 

Mit dem Trockenfallen von Flüssen hat der örtliche Niederschlag aber so viel nicht zu tun. Dafür ist ein mangelndes Wasserangbot im Einzugsgebiet des Flusses ursächlich. Das Problem ist also deutlich großräumiger.

Wassereinzugsgebiet am Beispiel Ilm

Jetzt kann man natürlich argumentieren Ok, dann fehlt halt der Niederschlag im Einzugsgebiet. Wo ist der Unterschied?

Dürre/Trockenheit ist ein Phänomen, welches man unmittelbar beobachten kann — und was auch beobachtet wird. Allerdings und dummerweise kann man aber von der Beobachtung her nicht einfach auf die Ursache schließen.

Eine Zunahme von Dürren kann regional verschiedene Ursachen haben:

  • Verringerte Niederschläge,
  • eine erhöhte Verdunstung durch höhere Temperaturen und
  • eine veränderte Dynamik der Atmosphäre

sind die wichtigsten meteorologischen — wetterbedingten — Ursachen.

Die Art der Niederschläge ist von großem Einfluß: In den Gebirgen der mittleren Breiten bilden die winterlichen Schneemassen eine Wasserreserve für das Frühjahr und den Sommer, wenn der Schnee schmilzt. Die Erwärmung verursacht eine kürzere Schneesaison, eine Verschiebung der Schneegrenzen (nach oben) und der Niederschlag fällt eher in Form von vergleichsweise schnell abfließendem Regen als in Form von Schnee. Orte, die noch vor Jahren als vollkommen schneesicher galten, sind das schon lange nicht mehr.

Der Schnee schmilzt früher und das Schmelzwasser fließt früher im Jahr ab. Die (Schnee-)Wasserreserve ist somit viel schneller aufgebraucht. Damit steht dann im Frühjahr und Sommer weniger Bodenfeuchtigkeit zur Verfügung. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf aufnehmen und fördert zusätzlich die Verdunstung, die dem Boden Feuchtigkeit entzieht, was dann wieder mehr Trockenheit zur Folge haben kann. Hier können dann Landnutzungsänderungen ebenfalls eine größere Rolle spielen: Bspw. verringert die Abholzung von Wäldern die Wasseraufnahme durch eine Pflanzendecke. Selbst wenn die abgeholzte Fläche insgeamt eher bedeutungslos ist, kann sie lokal zu großer Bedeutung gelangen. Mitunter besteht auch die Möglichkeit, daß andere menschliche Aktivitäten lokal eine Rolle spielen.

Ob es in einem bestimmten Gebiet — dem Einzugsgebiet der Flüsse — viel, wenig oder gar nicht regnet bzw. schneit, hängt aber auch nur zu einem geringen Teil von Temperatur und Verdunstung in diesem Gebiet selbst ab. Die Wassermenge von Niederschlagsereignissen über Land stammt im globalen Durchschnitt zu ca. 90% aus Wasserdampf der aus anderen Gebieten, im wesentlichen den großen Ozeanbecken, herantransportiert wird. Damit spielen globale Wetterverhältnisse, Veränderungen der Dynamik der globalen Atmosphäre, ebenfalls eine große Rolle.

Trockenheit bzw. Dürre kann also lokal beobachtet werden, die Ursachen allerdings liegen oft weit entfent. Ganz oft ist es wahrscheinlich eine Kombination mehrerer Ursachen mit verschiedener Gewichtung.

Der Trend zur Erwärmung ist unübersehbar:

Ob das Trockenfallen der Flüsse eine direkte Auswirkung des Klimawandels und der damit einhergehenden Erderwärmung ist? — Durchaus möglich und absolut nicht ausgechlossen. Allerdings sollte man sich auch vor vorschnellen Schlüssen hüten. Die entstehenden Effekte können sich zwar gegenseitig verstärken  — aber eben auch gegenseitig aufheben.

Eindeutig ist der Trend jedenfalls bei weitem nicht:

Episodische Austrocknung von Flüssen ist kein neues Phänomen, wie gerade die Hungersteine belegen. Es hilft nur abzuwarten. Klima oder Wetter? bleibt die bis jetzt nicht eindeutig zu beantwortende Frage.

Situation in Eisenach

August 2022

Der Prinzenteich in Eisenach hat sich  — mal wieder  — zur Prinzenpfütze entwickelt und die Nesse glänzt durch Tristesse. Der der Prinzenteich speisende Marienbach akkumuliert nicht genügend Wasser in seinem Einzugsgebiet und ist nahezu trocken. Die Hörsel führt am Petersberg ungefähr 1/10 der üblichen Wassermenge.

Hörsel/Nesse

Hörsel/Nesse 1645
Einzugsgebiet Hörsel/Nesse

Wasserstände

W(MQ)aus langjähriger Q-Reihe abgeleiteter mehrjähriger mittlerer Wasserstand
1. Quart. (mon)aus langjähriger Q-Reihe abgeleiteter oberer Grenzwert der 25% niedrigsten Werte des Monats
W(MNQ)aus langjähriger Q-Reihe abgeleiteter mehrjähriger mittlerer Niedrigwasserstand
W(NNQ)aus langjähriger Q-Reihe abgeleiteter mehrjähriger absoluter Niedrigwasserstand
Hörsel-Pegel Petersberg
Foto TLUBN

 

4 Wochen

Der Pegel Petersberg hat am 25.08.2022 mit 96 cm einen neuen Niedrig-Stand erreicht.

5 Jahre
Nesse-Pegel Nessemühle
Foto TLUBN

 

4 Wochen
5 Jahre

Durchflüsse

MQlangjähriger mittlerer Durchfluss
1. Quart. (mon)oberer Grenzwert der 25% langjährig niedrigsten Durchflusswerte des Monats
MNQlangjährig mittlerer Niedrigabfluss
NNQabsolut niedrigster Durchfluss
Hörsel-Pegel Petersberg
4 Wochen
5 Jahre
Nesse-Pegel Nessemühle
4 Wochen
5 Jahre

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