Eisige Heilige?

Eisige Namensgeber

Die Eisheiligen (andere Namen: Gestrenge Herren, Eismänner oder Maifröste) sind die Namenstage von christlichen Heiligen. Es handelt sich um den Erzbischof von Vienne Mamertus (5. Jhd.), den Märtyrer Pankratius (3./4. Jhd.), den Bischof von Tongeren Servatius (4. Jhd.), den Märtyrer Bonifatius (3./4. Jhd.) und die Märtyrerin Sophia (3./4. Jhd.). Nach dem Gregorianischen Kalender folgen die Tage vom 11. bis zum 15. Mai aufeinander. Legt man den Julianischen Kalender zu Grunde, beginnen die Eisheiligen am 19. und enden am 23. Mai. Dadurch verschieben sich die mit den Tagen möglicherweise zusammenhängenden Ereignisse allerdings um ca. eine Woche.

Eisheilige Bauernregeln

Im Mai sind — regional verschieden — durchaus noch Bodenfröste möglich. Das brachte die Bauern in ein Dilemma bei der Fühjahrsaussaat: Säten sie zu spät aus, fiel der Ernteertrag geringer aus. Säten sie zu früh aus, war die dann noch junge Aussaat von Nachtfrösten bedroht.

Um sich zu behelfen stellten die Bauern in Merksätzen Regeln auf, die sich jeweils auf die Woche mit den fünf Namenstagen (sog. Lostage) bezogen. Wegen der regionalen Diversität der Witterung fielen diese Regeln allerdings verschieden aus. Die Regeln sind also nicht überall gleich, sie geben vielmehr regionale Sondererfahrungen wieder. Ohne Wissen über die Herkunft einer bestimmten Regel ist sie mehr oder weniger nutzlos. Die Regionalität spiegelt sich auch darin wieder, daß den fünf Eisheligen nicht überall die gleiche Bedeutung beigemessen wird. Etliche Regeln beziehen sich nur auf drei Tage, manche nur auf einen.

Diese Regionalität läßt sich auch ganz gut an der sog. Phänologischen Uhr erkennen:

Die Phänologie befaßt sich mit den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen der Pflanzen. Es werden die Eintrittszeiten charakteristischer Vegetationsstadien (Phasen) beobachtet und festgehalten. Für die Bauern, die seinerzeit versuchten sich mit Bauernregeln zu behelfen, war die Beobachtung des Wachstums und der Entwicklung ihrer Feldfrüchte überlebensnotwendig.

Auch ist allermeist völlig unklar, auf welchen Kalender sich die Regeln beziehen. In den katholischen Gegenden wurde die nach Papst Gregor XIII. benannte gregorianische Kalenderreform ab 1582 recht zügig umgesetzt. Nicht so in reformierten oder protestantischen Gegenden. Dort wollte man keinesfalls als papstgläubig gelten und lehnte daher diese päpstlich initiierte Reform ab. Erst 1699, als für das Jahr 1700 wegen der unterschiedlichen Schaltjahrregelungen ein weiterer Tag Differenz zu erwarten war, einigten sich die protestantischen deutschen Territorien auf dem Reichstag in Regensburg. Aber auch damit war noch lange keine Einheitlichkeit erreicht. Als letzte im westlichen Europa stellten 1812 die Bündner Gemeinden Schiers und Grüsch um.

Vermutlich entstanden die Regeln während einer mittelalterlichen Kälteperiode, in der es wegen der verkürzten Vegetationsperiode ganz besonders wichtig war, einen optimalen Zeitpunkt für die Aussaat zu finden.

Meteorologische Singularität?

Meteorologische Singularitäten (von lat. singularis, einzigartig) sind Witterungsregelfälle, die zu bestimmten Zeitabschnitten im Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten und eine deutliche Abweichung von einem glatten Verlauf der Wetterelemente darstellen. Also erwartete statistische Ausreißer nach oben oder unten. Unerwartete Abweichungen vom Mittel werden Anomalie (griechisch anómalosuneben oder unregelmäßig) genannt.

Etwa ab Anfang Mai wird die Vegetation des beginnenden Vollfrühling zunehmend unübersehbar. Allerdings können durch den instabiler werdenden Polarwirbel tageweise wärmere Perioden immer wieder durch Wetterlagen mit Einbrüchen kalter Polarluft aus Nord oder Nord-Ost unterbrochen werden. Auch kann bei klarem Himmel unter Hochdruckeinfluß schon die nächtliche Abstrahlung wieder zu Bodenfrost führen. Hinzu kommen lokale Wetterphänomene, die großräumige Wetterlagen sowohl abschwächen als auch verstärken können.

Betrachtet man den Zeitraum vom 8. bis zum 18. Mai der 100 Jahre von 1921 bis 2020 in ganz Deutschland, so wurden nur in 23 Jahren Tiefsttemperaturen von +3 Grad Celsius oder darunter gemessen.

Schaut man allerdings nach jeweils drei aufeinanderfolgende Tage mit Temperaturen um +10 Grad Celsius (oder weniger), so findet man diese in 39 Jahren. Da es sich hierbei um Tagesdurchschnitte handelt, sind regionale Nachtfröste durchaus noch im Bereich des Möglichen.

61 der 100 Jahre hingegen waren mit ziemlicher Sicherheit zu warm.

Es steht damit immer noch 39 zu 61 gegen die Eisheiligen und damit auch gegen eine Singularität.

Auch wenn sich, teilt man den Mai in drei Kategorien zu je einem Drittel in kalt, mild und warm auf, ein leichter Überhang zugunsten der Eisheiligen ergibt.

Aber dennoch: Durchschnitte über Gesamt-Deutschland sagen nicht sehr viel über lokale bzw. regionale Besonderheiten aus. Da sind Abweichungen durchaus im Bereich des Möglichen, weswegen in einigen Gegenden das Phänomen der Eisheligen zumindest in Form einer "Delle" durchaus beobachtbar sein kann.

Beispielsweise ist Eisenach zwar ein gutes Stück von eisheiligen Frostnächten entfent, aber eine "Delle" ist im fraglichen Zeitraum (siehe oben: er steht gar nicht so genau fest) durchaus sichtbar:

Screenshot von Kachelmannwetter

Tatsächliche Bodentemperaturen vom 18. Mai 2023:

Auch hier wird die Regionalität nochmal deutlich sichtbar: Von -4 °C bis +5 °C ist jede Temperatur vielfach vertreten. Ein Durchschnitt übe Deutschland kann das nur unzureichend abbilden.

Da die Bauernregeln zu den Eisheiligen außerdem vermutlich in einer kälteren Periode während der Kleinen Eiszeit entstanden, ist ein realer Hintergrund recht wahrscheinlich. Besonders die Zeiträume von etwa 1570 bis 1630 und 1675 bis 1715 waren sehr kalt.

Viele Medien hindert das allerdings überhaupt nicht, in die die Eisheiligen (oder auch andere Lostage) bestimmte Bedeutungen hinein zu orakeln:

Das kann man als durchaus unterhaltsames oder auch interessantes Spiel begreifen. Aber seinen Urlaub oder andere Aktivitäten sollte man lieber nicht auf dieser Grundlage planen. Speziell für die Eisheiligen trifft das Werfen einer Münze eine ähnlich zuverläsige Aussage.

Schafskälte

Schon im Juni tritt ein weiteres Wetterphänomen auf, die Schafskälte. Ihren Namen hat sie direkt von den Schafen, die zu diesem Zeitpunkt ihre erste Schur bereits hinter sich haben. Ein danach eintretender Kälteienbruch kann für sie durchaus bedrohlich werden. Muttertiere werden deswegen erst später geschoren.

Die Schafskälte wird im Zeitraum vom 4. bis zum 20. Juni mit einem Maximum um den 11. Juni erwartet. Zu dieser Zeit gibt es in Mitteleuropa oft einen Kälteteinbruch durch einströmende kühle und feuchte Luft aus Nord-West. Sie kann die Temperatur innerhalb weniger Stunden spürbar sinken lassen. Wie jede Landwetterlage entsteht der Effekt durch eine unterschiedlich schnelle Erwärmung von Landmassen und Meerwasser (Atlantik, europäisches Nordmeer sowie Nord- und Ostsee). Das bereits relativ warme Land und das noch kühle Meer können über Europa ein Tiefdruckgebiet entstehen lassen, welches von Westen bis Nord-Westen feuchte Kaltluft heran führt. Damit einher geht ein erhöhtes Unwetterpotential, welches zu starken Schauern und Gewittern führen kann.

Wie jedes Wetter-Phänomen tritt auch die Schafskälte tritt nicht in jedem Jahr und nicht immer gleich stark auf. Von 1921 bis 2020 hatte sie eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 61 Prozent (drei aufeinanderfolgende Tage mit weniger als +14 Grad Celsius). Von 1921 bis 1990 lag die Wahrscheinlichkeit noch bei 73 Prozent. In den letzten 30 Jahren sank die Wahrscheinlichkeit allerdings auf 33 Prozent. Ursächlich hierfür ist mit ziemlicher Sicherheit der Klimawandel bzw. die mit diesem einhergehende Erderwärmung. Damit wird der Eintritt der Schafskälte immer mehr vom Zufall bestimmt.

Die Schafskälte war eine klare meterologische Singularität, die allerdings mit dem fortschreitenden Klimawandel zunehmend ihre Regelmäßigkeit verliert.

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