Kleine Eiszeit

Joos de Momper d. J. und Jan Brueghel d. J., Stadtlandschaft am vereisten Fluß, um 1630 Koller Auktionen

Die Winterliche Stadtlandschaft am vereisten Fluß, entstandem um 1630 während der Kleinen Eiszeit, wirkt wie aus einem Guß. Dennoch waren an der Entstehung des Werkes zwei Künstler beteiligt: Joos de Momper d. J. (* 1564, † 1635), welcher die Landschaft schuf und Jan Brueghel d. J. (* 1601, † 1678), der für die Figuren verantwortlich zeichnet. Die außergewöhnlich harmonische Zusammenarbeit der beiden Malerfreunde schafft eine lebendige Alltagsszene inmitten einer frostigen Winterlandschaft, die in ihrer Gestaltung und feinen Lichtregie fast wie ein Bühnenbild wirkt.

Derartige Kooperationen waren nicht selten. Manche Maler spezialisierten sich auf Landschaften, andere auf Menschen. Nichts lag ferner, als sich gelegentlich zusammen zu tun und gemeinsam an einem Werk zu arbeiten. Gefördert wurde das auch durch die Lukas-Gilden, in denen sich Maler, andere Künstler und Kunsthändler zusammengeschlossen hatten, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Die Gilde-Mitglieder waren untereinander bekannt — und nicht selten auch verwandtschaftlich verbunden.

Das Antwerpen um 1600 muß man sich als reiche Handelsstadt mit durchaus bürgerlichem Flair vorstellen. Ein Netz aus europaweit wirkenden Kunsthändlern sorgte für potente Käufer und brachte kultiviertes Renommee. Die führende Rolle Antwerpens war bis weit in das 17. Jahrhundert unumstritten. Die Antwerpener Lukas-Gilde hatte daran nicht unwesentlichen Anteil. Sie war einerseits streng reglementiert, sorgte so für eine gewisse Qualität der künstlerischen Leistung und optimierte andererseits aber auch die Verkaufsprozesse und sorgte so für stete Einnahmen der Künstler. Auch gehörte es zu ihren Aufgaben, unerwünschte Konkurrenz in Schach zu halten sowie im Falle von Krankheit oder anderen Schicksalsschlägen gegenseitige Hilfe zu organisieren.

Wie schon bei Lucas Cranach in Wittenberg sorgte die Nachfrage für die Entwicklung von Werkstattmodellen, die den Produktionsprozess strukturierten und optimierten. Der Meister gab das Motiv und die Komposition vor, die Gesellen führten aus. Abschließend korrigierte und ergänzte der Meister. Das Werk war seine Schöpfung, hervorgegangen aus seiner Werkstatt, mit seiner Signatur gutgeheißen.

In diesem Umfeld war auch die Spezialisierung und Kooperation der Künstler naheliegend. Bei allem zweifellos vorhandenen Konkurrenzdenken war den Beteiligten durchaus klar, daß damit mitunter mehr gewonnen als verloren werden konnte. Den Käufern der Bilder war das egal. Ganz im Gegenteil gefiel denen oft der Gedanke ein Werk zu besitzen, an dem gleich mehrere Meister beteiligt waren.

Die Winterliche Stadtlandschaft am vereisten Fluss steht am 23. September bei Koller Auktionen in Zürich zum Verkauf. Sie wurde auf 150.000 bis 200.000 CFR taxiert.

Als Kleine Eiszeit wird eine Periode relativ kühlen Klimas vom Anfang des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein bezeichnet. Sie war regional und zeitlich unterschiedlich stark ausgeprägt, erreichte aber ihren Höhepunkt vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum letzten Drittel des 17. Jahrhundert. Sie gilt als das klassische Beispiel einer durch kurzfristige Schwankungen geprägten natürlichen Klimavariation. Während dieser Zeit traten häufig sehr kalte, lang anhaltende Winter und kühle, niederschlagsreiche Sommer auf. In der Nordhemisphäre waren die Zeiträume von etwa 1570 bis 1630 und 1675 bis 1715 besonders kalt.

Die Kleine Eiszeit schlug sich auch in der Kunst nieder. Bekannt dafür sind bspw. die Winterlandschaften Pieter Brueghels, Hendrick Avercamps und anderer niederländischer Meister aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Viele von ihnen zeigen Szenen, in denen zugefrorene Kanäle in den Niederlanden zu sehen sind. Vivaldis Winter-Konzert (aus den Vier Jahreszeiten) mit dem dazugehörigen Sonett thematisiert z. B. das Schlittschuhlaufen auf der Lagune von Venedig.

Hendrick Avercamp, Eisvergnügen, 1608

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