Die Nachricht von meinem Tod…

Screenshot 30.11.2022

Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben soll Mark Twain einst kommentiert haben, als die Zeitungen sein Ableben meldeten.

Ähnliches könnte jetzt auch der ehemalige österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky (85) sagen, nachdem die SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek am 29. November 2022 im Sozialausschuß des Nationalrates seinen Tod verkündet hatte. Die Anwesenden wurden daufhin gebeten, eine Trauerminute abzuhalten.

Heinisch-Hosek hatte einer privaten Chat-Nachricht vertraut, die wiederum auf einem Tweet des (angeblichen) Landwirtschaftsministers Norbert Totschnig beruhte. Einem Fake-Tweet, wie mittlerweile kar ist.

Die Falschmeldung verbreitete sich innerhalb der SPÖ mit rasender Geschwindigkeit. Schon deswegen, weil sich schlechte Nachrichten generell deutlich schneller verbreiten, als gute Nachrichten. Erst recht, wenn sie mit einer gewissen Emotionalität, wie hier dem Tod eines allgemein eher beliebten Politikers, verbunden sind. Jeder wollte unbedingt der Erste sein, der die vermeintliche Neuigkeit verkündet. Die Frage, wieso ausgerechnet ein ÖVP-Politiker als Erster vom Tod des SPÖ-Politikers erfahren haben will, stellte sich dabei offenbar niemand. Eine verifizierte oder gar offizielle Meldung wollte auch niemand abwarten. Die Sucht nach zwei Minuten Aufmerksamkeit war — wieder einmal — sehr viel stärker.

Für die initiale Falschmeldung ist wahrscheinlich der Italiener Tommaso Debenedetti verantwortlich. Debenedetti ist für derartige Scherze bekannt. Er hatte schon Michail Gorbatschow (zehn Jahre vor dessen Ableben!), den Papst, Hans Magnus Enzensberger, Elfriede Jelinek, Milan Kundera, Herta Müller, Wladimir Putin und Baschar al-Assad (samt Gattinnen) totgesagt und außerdem frei erfundene Interviews veröffentlicht.


So weit, so gut. Oder schlecht. Oder wie auch immer.

Allerdings nehmen Kommentatoren den Vorfall umgehend zum Anlaß, stärkere Regulierungen der Netze sowie auch mehr Verantwortungsübernahme von Twitter, Facebook & Co. zu fordern.

Auch wenn dieser Vorfall zwar peinlich, aber glimpflich, verlaufen ist, wurde doch ein Parlamentsausschuss einer standhaften Demokratie in die Irre geführt – durch einen einzelnen Italiener. Mit nur einem Quäntchen mehr krimineller Energie können globale Online-Plattformen als veritable Lügenschleudern missbraucht werden, wenn sich diese Plattformen dafür hergeben. Damit kann man Börsenkurse manipulieren, Völkermord befeuern, Menschen dazu bringen, sich unnötig in Lebensgefahr zu begeben, und, wie sich zeigt, auch Gesetzgebern alles mögliche weismachen.

Das klingt sehr vernünftig und auch sehr naheliegend. Es geht dennoch völlig am Problem vorbei.

Das Problem sind nicht die Medien, über die irgendwelcher Unfug verbreitet wird, das Problem sind die Menschen, die über diese Medien Unfug verbreiten. So wie im konkreten Fall Gabriele Heinisch-Hosek. Aber auch wenn die jetzt hier als schlechtes Beispiel herhalten muß, ist sie keineswegs alleine und auch keineswegs ein Einzelfall. Und natürlich betrifft es nicht nur Politiker und andere (Pseudo-)Prominenz, sondern selbstverständlich auch ganz normale Menschen die, vielleicht in guter Absicht aber dennoch, ungeprüft jeden Unsinn weiter verbreiten.

Der Schutz der Bürger vor den (bösen!) Medien kann kein Ziel sein — und wird auch gar nicht funktionieren.

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