Schwindeln mit Statistik

Abendzeitung vom 6.10., Screenshot vom 08.10.2022

Aus der Abendzeitung:

München — Man wolle mit der Zeit gehen und gleichzeitig das bayerische Kulturgut ehren, sagt Silja Schrank-Steinberg, Wirtin des Hofbräufestzelts auf der Wiesn. Deshalb gab es heuer auch Anpassungen der Speisekarte, neben Hendl und Ente konnten die Besucher auch vegane Curry- und Weißwurst bestellen.

Vor allem letztere sorgte bereits im Vorfeld des Oktoberfests für reichlich Diskussionsstoff. Viele waren wenig angetan von der Vegan-Wurst. Ein Beispiel: Für Kabarettistin Monika Gruber schmecke das Gericht "wie Montage-Schaum, der in ein Kondom abgefüllt wurde, mit einer leichten Kalk-Note im Abgang".

Für Kritiker der veganen Weißwurst könnte folgende Tatsache nun wohl etwas überraschend kommen. Denn laut Schrank-Steinberg gingen die fleischlosen Alternativen verhältnismäßig gut weg. "Im Verhältnis zu den zwei herkömmlichen tierischen Varianten wurden insgesamt stolze 40 Prozent vegane Currywurst und 20 Prozent vegane Weißwurst bestellt", erklärt die Hofbräu-Wirtin.

Soweit, so gut. Aber GREENFORCE, Hersteller der veganen Curry- und Weißwürste, produziert daraus:

Auf dem Oktoberfest waren 400 von 1.000 Currywurst Bestellungen & 200 von 1.000 Weißwurst Bestellungen vegan 😍🥳

und erntet damit anerkennende Worte.

Screenshot 08.10.2022

Stimmt natürlich nicht sondern ist tatsächlich sogar ziemlich irreführend: GREENFOOD hat zu einem einfachen aber dennoch beliebten Trick gegriffen und kurzerhand den Bilanzraum erweitert. Von im Hofbräu-Festzelt zu auf dem Oktoberfest. So entsteht ein völlig verfälschter Eindruck.

Tatsächlich wurden vegane Curry- und Weißwürste nur im Hofbräu- und im Käfer-Festzelt angeboten, der Artikel in der Abendzeitung bezieht sich sogar nur auf das Hofbräu-Zelt. Zum restlichen Angebot auf der Wiesn gibt es überhaupt keine Aussage. Übrigens: In veganen Restaurants sind sogar 1.000 von 1.000 Bestellungen vegan. Was sagt das aus? — Eben!

So hat GREENFOOD nur ein weiteres Argument dafür geliefert, genau zu lesen und niemals dem ersten, meist oberflächlichen Eindruck zu trauen. Manipulative Aussagen mit verfälschten Statistiken sind keine Seltenheit — und nicht immer so einfach zu erkennen, wie hier.

Nachtrag: In der amtlichen Oktoberfest-Statistik der Stadt München tauchen Weiß- und Currywürste überhaupt nicht auf. (Manche vermuten das läge daran, dass Currywürste auf dem Oktoberfest sowieso nichts verloren haben.) Fest steht: Bei insgesamt rund 220.000 verkauften Schweinswürsten und 435.000 halben Brathähnchen fallen die veganen Weiß- und Currywürste kaum ins Gewicht.

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