Publikationsbias

Der Publikationsbias (engl. publication bias), auch Publikationsverzerrung, ist eine verzerrte (engl. bias) Darstellung von Ereignissen in Medien aller Art. Das Phänomen wurde 1959 von dem Statistiker Theodore Sterling erstmals beschrieben und beruht auf der simplen Tatsache, daß immer nur über Ereignisse, nicht aber über Nicht-Ereignisse, berichtet wird. Das führt allgemein zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und damit oft zu fehlerhaften Schlußfolgerungen.

Der Publikationsbias hat nichts mit dem bewußten Verbreiten von Falschmeldungen, Manipulation, Verschwörungen oder Ähnlichem zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein völlig normales und alltägliches Phänomen.

Medien (Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Internet, …) berichten immer nur über Ereignisse die, angeblich oder tatsächlich, stattgefunden haben. Über Ereignisse, die nicht stattgefunden haben, gibt es schließlich nichts zu berichten. Ereignisarme Zeiten geraten so völlig ins Hintertreffen — obwohl sie eigentlich die Mehrheit bilden.

Beispiel: Eine lokale Zeitung berichtet über die schöne Kirmes in einem kleinen Dorf. Aber das Kirmes-Wochenende ist nur ein Wochenende des Jahres. Was geschah an den anderen 51 Wochenenden? Nichts? Unwahrscheinlich, denn auch in einem kleinen Dorf bleibt die Zeit schließlich nicht stehen. Tatsächlich geschah auch an den anderen Wochenenden irgendetwas. Nur hielt es die Zeitung nicht für berichtenswert. In der allgemeinen Wahrnehmung bleibt nur das Kirmes-Wochenende haften. Ganz so, als würden die anderen Wochenenden gar nicht existieren.

Der Publikationsbias betrifft nicht nur Zeitungen oder andere Medien. Er betrifft genauso auch die Gespräche mit Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen usw. Auch im persönlichen Gespräch werden nur die Dinge erwähnt, die aus irgendeinem Grund für bemerkenswert gehalten werden. Alles andere fällt hinten herunter, wird ganz automatisch und unbewußt ausgeblendet. So, als hätte es überhaupt nicht stattgefunden. (Hat es aber.)

Ein häufig zitiertes journalistisches Bonmot lautet Hund beißt Mann ist keine Meldung. Mann beißt Hund hingegen schon. Deswegen wird viel häufiger über Männer berichtet, die Hunde beißen. Hunde, die Männer beißen, fallen hinten herunter. Aber was passiert viel häufiger? — Eben.

Vielleicht fragt man sich jetzt Was soll das? Das ist doch bekannt! — Ja richtig: Es ist bekannt. Aber ist es auch bewußt? — Das ist das Problem!

Ist man sich des Publikationsbias nicht bewußt, so führt er fast zwangsläufig in eine verzerrte Wahnehmung. Relativ seltene Ereignisse bleiben im Gedächtnis haften und manifestieren sich dort zu einer Art Normalzustand. Obwohl sie das ganz oft überhaupt nicht sind. So entstehen dann fehlerhafte Schlußfolgerungen, so entstehen schlichte Irrtümer.

Um mich mal selbst zu zitieren (beim Betrachten eines Fotos): Oft ist das, was man sieht, gar nicht so wichtig. Mitunter sollte man sich auch fragen, was man eigentlich nicht sieht. Und das gilt eben nicht nur für Fotos sondern auch für das, was man liest oder hört.

Das ist jetzt keine Aufforderung, stets und ständig an der eigenen Wahrnehmung zu zweifeln. Ganz bestimmt nicht. Viele Dinge sind einfach, wie sie sind, wie sie wahrgenommen werden. Keine Frage. Es soll nur eine Aufforderung sein, den Publikationsbias nicht zu vergessen.

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