Pariser Urteile

Meister der Argonautentafeln, Das Urteil des Paris, um 1480 Harvard Art Museum

Das Urteil des Paris ist eine bekannte Episode der griechischen Mythologie. Der Jüngling Paris muss das Urteil fällen, welche von drei Göttinnen die schönste ist: Aphrodite, Athene oder Hera.

Alle Götter sind zur Hochzeit des Peleus und der Thetis eingeladen, ausgenommen Eris, die Göttin der Zwietracht. So beleidigt, wirft sie von der Tür aus einen goldenen Apfel mit der Aufschrift καλλίστῃ (griechisch, Der Schönsten, Für die Schönste) unter die feiernden Götter des griechischen Olymps.

Erwartungsgemäß kommt es zum Streit zwischen Aphrodite, Athene und Hera, wem dieser Apfel gebühre (daher auch der Begriff Zankapfel/Erisapfel). Zeus als höchster Olympier zieht sich aus der Affäre und legt das Urteil in die Hand eines Sterblichen: Er bestimmt den unschuldigen Jüngling Paris, den schönen, wenngleich verstoßenen Sohn des trojanischen Königs Priamos und der Hekabe, als Schiedsrichter. Der Götterbote Hermes wird beauftragt, die Göttinnen zu dem Königssohn zu bringen, der seit seiner Verstoßung unerkannt als Hirte lebt.

Um den Prinzen für sich zu gewinnen versucht jede der Göttinnen, ihn zu bestechen und bietet ihm einen Preis an. Hera verspricht ihm Herrschaft über die Welt, Athene verspricht Weisheit, Aphrodite hingegen bietet Paris die Liebe der schönsten Frau der Welt. Mit dieser Belohnung kann Aphrodite das Urteil für sich entscheiden.

Die schönste Sterbliche, Helena, war jedoch bereits mit Menelaos verheiratet, dem mächtigen König von Sparta. Der Raub der Helena, der begangen werden mußte um das Versprechen zu erfüllen, soll der Auslöser für den Trojanischen Krieg gewesen sein.

Giorgio Ghisi (* 1520, † 1582) war einer der berühmtesten Kupferstecher im Europa des 16. Jahrhunderts. Dieses Werk, eine der ehrgeizigsten Kompositionen des Graveurs, basiert auf einer Zeichnung des italienischen Malers Giovanni Battista Bertani (* 1516, † 1576). Es entstand, während Ghisi in der Antwerpener Werkstatt von Hieronymous Cock, dem wichtigsten Druckverleger Nordeuropas, arbeitete. Obwohl der Druck auf der Komposition eines anderen Künstlers basiert, wurde der Druck durch Ghisi's eigenen Zusatz aufgewertet: die exquisite nördliche Landschaft in der Ferne.

Das Urteil des Paris ist ein sehr häufig dargestelltes Thema. Es war beliebt weil es die Gelegenheit bot, mit der sexuellen Konnotation zu spielen ohne sich, wegen des mythologisch-moralischen Hintergrundes, dem Vorwurf der Obszönität auszusetzen.

Der Meister der Argonautentafeln ist ein heute unbekannter, vermutlich italienischer Maler, der in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts in Florenz wirkte. Ihm wird die Urheberschaft an verschiedenen Cassone-Tafeln und Hausandachtsbildern zugeschrieben. (Cassone-Tafeln sind Truhenbilder. Hölzerne Truhen sind die vermutlich ältesten Verwahrmöbel der Welt. Sie stellten auch den sozialen Status des Besitzers dar und wurden dewegen oft mit kunstvoll geschnitzten Ornamenten oder eben auch Cassone-Tafeln verziert. Schränke setzten sich erst in den Städten des 17. Jahrhunderts als typische Verwahrmöbel durch.)

Das Urteil des Paris von Sandro Botticelli (* 1445, † 1510) entstand ungefähr zur gleichen Zeit, wie das Bild des Meisters der Argonautentafeln.

Sandro Botticelli (Werkstatt), Das Urteil des Paris, 1485/88

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