Moritz Buchner + die maskierte Anna
Die beiden Portraits — Doppelportrait — von Lucas Cranach dem Älteren (* 1472, † 1553) zeigen Moritz Buchner (* 1491, † 1544) und seine Frau Anna, geb. Lindacker (oder Lintacher). Moritz war ein erfolgreicher Kaufmann und Stadtrat, Teil der neu wohlhabenden Mittelschicht, die mit der Herausbildung der Frühformen des Kapitalismus in Deutschland im 16. Jahrhundert entstand. Buchner war im Mansfelder Raum im Saigerhandel (Handel mit den Rohstoffen und Produkten der Saigerhütten, also Garkupfer und Silber aus silberhaltigem Rohkupfer, das im Mittelalter oft aus dem Mansfelder Land stammte) tätig. Seine Frau war die Tochter eines erfolgreichen Bergbau-Unternehmers.
In den Bildern fängt Cranach das Selbstvertrauen, den Stolz und den Ehrgeiz ein, die oft mit neu erworbenem Reichtum und einem verbesserten sozialen Status einhergehen.
Viele Jahre lang hat Lucas Cranach seine Motive in Doppelportraits genau so komponiert: eine sitzende Halbfigur, die Hände im Schoß, eine über der anderen ruhend. Anders als ihr Mann blickt Anna Buchner den Betrachter jedoch nicht direkt an, weil das als unbescheiden gegolten hätte. Ihr Körper, gehüllt in teure Gewänder, eine perlenbesetzte Tiara, ein goldenes Haarnetz, eine schwere Goldkette und eine große Anzahl von Ringen mit Rubinen und Smaragden, war ein Schaufenster, um den Reichtum ihrer Familie zu zeigen.
Das Datum des Gemäldes von Moritz Buchner erscheint mit Cranachs Signatur, einer geflügelten Schlange, links in der Mitte:
Zu den nur wenig beachteten, aber authentischen Werken von Lucas Cranach d. Ä. gehört das nur fragmentarisch erhaltene Altarbild Die Johannespredigt bzw. Die Predigt Johannes des Täufers (um 1520/30). Das Bild ist nur als Bruchstück erhalten und weder signiert noch datiert. Der Rest des Gemäldes wurde 1553 im 2. Markgrafenkrieg vernichtet. Im sog. Bundesständischen Krieg wurde die Stadt Kulmbach belagert und die St. Petri-Kirche am Konradstag (26.11.) in Brand geschossen. Retter konnten nur den Rest der Altartafel sicherstellen.
Die über 20 gezeigten Personen sind unbekannt — aber inmitten des Fragments fällt eine augenscheinlich reiche Dame mit breitem Schulterpelz und schwerer Goldkette auf, die einen Mund- und Nasenschutz sowie weiße Handschuhe trägt. Die Maskierung wirkt verblüffend aktuell — ist zugleich aber untypisch für die damalige Zeit. Ob die Frau sich damals vor einem Infekt schützen oder selbst infiziert, andere nicht anstecken wollte, bleibt ungeklärt. Rechts neben der noch jugendlichen Frau steht ein deutlich hervorgehobener Patrizier mit breitem, rotem Barett, offenbar ihr Ehemann. Beider Halbportraits überragen die Umstehenden, die wahrscheinlich auf sozial niedrigerer Stufe stehen. Diese Hervorhebung bedeutet aber auch, daß das Paar als Stifter der Altartafel in Frage kommt. Dieser altkirchlichliche Brauch wurde vereinzelt auch noch von Luther-Anhängern praktiziert.
Der Mann hat durch seinen Vollbart und sein gelocktes blondes Haar ein markantes Aussehen. Es könnte sich um Moritz Buchner handeln, der auch in Oberfranken, in Kulmbach und Nürnberg wohnte und tätig war. Gerade zwischen Kulmbach und Bamberg war damals der Abbau von Metallen lohnend; ein Ort in dem Gebiet heißt sogar Goldkronach. Es liegt nahe anzunehmen, daß Moritz Buchner auch Kuxe von Goldbergwerken besaß, da er seine Frau mit einer derart schweren Goldkette behängen konnte. Im Feuersturm von 1553 wurden alle Dokumente vernichtet, so daß es keine archivalischen Angaben über die Bürger und damit auch keine über Buchners Lebensumstände gibt. So läßt sich auch kein gesichertes Motiv für seine mögliche Stiftung ausmachen.
Das Altarbild entstand zeitlich nach den Doppelportraits. Eventuell konnte Cranach für den Auftrag des Altarbildes auf das Portrait ohne erneute Portraitsitzung zurückgreifen. Trotz der unterschiedlichen Blickwinkel ist die Physiognomie des Moritz Buchner auffallend übereinstimmend.
Es gibt eine interessante These zu der Frage, ob Moritz Buchner der Stifter dieser Johannespredigt war: Er könnte als Vertrauensmann der Stadtverwaltung von Kulmbach mit dem Steuereinzug beauftragt gewesen sein. Zu diesem Zweck suchte sich die Obrigkeit regelmäßig Persönlichkeiten, von denen sie eine ehrliche Abrechnung erwarten konnte und Buchner war wahrscheinlich gut beleumdet. Allerdings waren diese Steuereintreiber zu allen Zeiten nur sehr schlecht angesehen. Mit der Stiftung des Altarbildes könnte Buchner versucht haben, sein Ansehen bei den Kirchgängern aufzubessern.
Eine These, für die es keine Belege gibt. Sie ist aber auch nicht unplausibel und durchaus im Bereich des Möglichen. Ansonsten hat sich Moritz Buchner kaum in der Öffentlichkeit bemerkbar gemacht.
Anna und Moritz Buchner liegen auf dem Nürnberger Friedhof begraben.
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