Jimson Weed/White Flower № 1

Georgia O'Keeffe, Jimson Weed/White Flower No. 1, 1932 Sotheby's

Bei Jimson Weed, in Deutschland als Weißer oder Gemeiner Stechapfel (Datura stramonium) bekannt, sind alle Pflanzenteile, besonders jedoch die Wurzeln und die Samen, giftig. Die Pflanze enthält die Tropan-Alkaloide (S)-Hyoscyamin und Scopolamin. Schon Mengen ab 0,3 g können zu gesteigerter Erregung, Sinnestäuschungen, Übelkeit, Pupillenerweiterung mit Sehstörungen und Atemlähmung führen. Es gibt Hinweise darauf, daß der Stechapfel in früheren Zeiten als Rauschmittel Verwendung fand. Die Blüten duften (in der Nacht) süßlich, parfümartig; der unangenehme Gestank kommt von den Stengeln und Blättern.

Das Gemälde von Georgia O'Keeffe (* 1887, † 1986) hing unter George W. Bush Jun. im Weißen Haus.

Georgia O'Keeffe 1918, Foto Alfred Stieglitz

Eigentlich strebte O'Keeffe während ihrer gesamten Karriere danach das darzustellen, was sie als die Weite und das Wunder der Welt, wie ich darin lebe beschrieb. Ihre Kindheit, sie wuchs als zweites von sieben Kindern auf dem Hof eines Milchbauern auf, wird dafür eine Rolle gespielt haben. Schon damals soll sie die die Phantasie anregende Natur der Gesellschaft vorgezogen haben. Sie entwickelte dabei die Fähigkeit, die schwer faßbare Grenze zwischen Repräsentation und Abstraktion zu treffen. Ihr Leben als Muse und Ehefrau des Fotografen Alfred Stieglitz (* 1864, † 1946) wird dazu beigetragen haben — trotzdem blieb ihre Ästhetik immer ihre eigene.

Gerade die White Flower № 1 zeigt ihre Absicht mehr als deutlich: Die übergroße (das Bild mißt etwa 120 mal 100 cm) kühne und elegante Darstellung einer kleinen, eher unscheinbaren Blüte, die zudem noch als giftiges Unkraut gilt. O'Keeffe glaubte daß es leicht wäre, die Schönheit zu zu übersehen, die in den Details der kleinen Form zu sehen war. Deswegen das unübersehbar große Format.

Es ist eine wunderschöne weiße Trompetenblume mit starken Adern, die die Blume offen halten und länger werden als der runde Teil der Blume – sie winden sich, wenn sie darüber hinaus wachsen … Einige von ihnen sind innen blassgrün die Mitte – einige ein blasses Marsviolett. Das Jimson-Unkraut blüht in der Kühle des Abends – in einer Mondnacht auf der Ranch zählte ich einhundertfünfundzwanzig Blüten. Die Blumen sterben in der Hitze des Tages … Wenn ich jetzt an den zarten Duft der Blumen denke, fühle ich fast die Kühle und Süße des Abends.

—O'Keeffe, 1976

Sie wandelt das Giftige in das monumental Erhabene und präsentiert ihre Wahrnehmung statt der wörtlichen Form. Details gehen verloren, lassen aber die ästhetischen, eleganten Vereinfachungen nur umso stärker wirken. Dabei zeigen sich überragende technische Fähigkeiten und Perfektionismus.

O'Keeffes Gemälde der Blume offenbart auch die Kraft und den Überschwang, mit dem sie ihre natürliche Umgebung betrachtet. Es ist ein persönliches Bild, das Ideen von Zeitlosigkeit und Universalität anspricht. Eine zerbrechliche Blume — ohne Jahreszeit, Welke oder Verfall.

Alfred Stieglitz, Georgia O'Keeffe Torso, 1931

Jimson Weed/White Flower № 1 wurde 2014 für 44,4 Mio. $ bei Sotheby's New York verkauft. Damit hält das Bild den Rekord für das teuerste von einer Frau gemalte Bild.

 

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