»Well then, my brave boys, prepare a stretcher for me.«

Alexander Gardner, Die Planung der Ergreifung des Booth, 1865 MET

Alexander Gardner (* 1821, † 1882) verfügte über langjährige Beziehungen zur US-Bundesregierung und zur Potomac-Armee und hatte dadurch einen einzigartigen Zugang zu Motiven.

So war Gardner der einzige Fotograf dem es gestattet war, Aufnahmen der Hinrichtung von vier Mitverschwörern des Lincoln-Attentates zu machen.

Alexander Gardner, Hinrichtung der vier Mitverschwörer des Lincoln-Attentats (Mary Surratt, Lewis Powell, David Herold und George Atzerodt), 7. Juli 1865, LOC

Das Foto ganz oben entstand in den Tagen nach der Ermordung des Präsidenten Abraham Lincoln durch John Wilkes Booth. Es zeigt Colonel Lafayette C. Baker, den Chef des Secret Service (sitzend), Lieutenant Luther B. Baker (links) und Colonel Everton J. Conger (rechts). Die drei Männer studieren Karten der Gegend, in der sich Booth vermutlich versteckt hält.

Wenige Tage nachdem dieses Foto entstand spürten US-Regierungsagenten Booth in einer Scheune in der Nähe von Port Royal, Virginia auf und forderten ihn auf, sich zu ergeben. Er weigerte sich und als die Agenten ihn warnten, daß Soldaten die Scheune in Brand setzen würden, antwortete Booth: Nun, meine tapferen Jungs, bereiten Sie eine Trage für mich vor. (Well then, my brave boys, prepare a stretcher for me.)

Booth wurde angeschossen als er versuchte, der Feuersbrunst zu entkommen und starb drei Stunden später.

Das Foto diente als Vorlage für einen Holzstich, mit dem ein am 13. Mai 1865 in Harper's Weekly veröffentlichter Artikel illustriert wurde.

Gardner war 1821 in Schottland geboren worden. Er wanderte im Frühjahr 1856 zusammen mit seiner Mutter, seiner Frau Margaret und den beiden Kindern in die Vereinigten Staaten aus. Die Familie zog nach New York. Dort nahm Gardner Kontakt zu Mathew B. Brady (* 1822, † 1896), einem US-amerikanischen Fotografen auf. (Brady wurde später ebenfalls zu einem wichtigen Chronisten des Bürgerkrieges und somit zu einem der ersten fotografischen Kriegsberichterstatter.)

Brady stellte Gardner in seiner Firma an. Ab Februar 1858 leitete Gardner Bradys Studio in Washington D.C. Nachdem im November 1860 Abraham Lincoln zum Präsidenten gewählt wurde und die Sklavenhalterstaaten des Südens aus der Union austraten, stand der Sezessionskrieg vor der Tür. Gardner war in Washington am richtigen Ort, er porträtierte Soldaten und höhere Offiziere, die in den Krieg zogen.

Brady entwickelte die Idee, den Bürgerkrieg umfassend fotografisch zu dokumentieren und Gardner konnte, durch seine Bekanntschaft mit Allan Pinkerton, der damals für die Sicherheit Lincolns verantwortlich war, den Präsidenten für das Vorhaben interessieren.

Brady selbst fotografierte 1862 die Zweite Schlacht am Bull Run, blieb sonst aber meist in Washington und organisierte die Arbeit seiner etwa 20 Angestellten auf den Kriegsschauplätzen. Gardner wurde durch Pinkertons Einfluss im November 1861 vorübergehend offizieller Fotograf bei der Potomac-Armee der Nordstaaten.

Ende 1862 trennte Gardner sich von Brady, weil dieser ausnahmslos alle Fotos unter seinem eigenen Namen veröffentlichte. Gardner fotografierte die Schlacht am Antietam, die Kämpfe von Fredericksburg und Gettysburg sowie die Belagerung von Petersburg.

1865/1866, nach dem End des Krieges, veröffentlichten Alexander Gardner und sein Bruder James ihr zweibändiges Werk Gardners Photographic Sketch Book of the War.

Gardners Photographic Sketch Book of the War, Volume I

Jeder Band enthielt 50 Originalabzüge. Aber die aufwändige Handarbeit und der daraus resultierende hohe Preis von 150 $ führten zu einem finanziellen Misserfolg.

Nicht alle Aufnahmen waren wirklich von Gardner – als Arbeitgeber veröffentlichte auch er Fotografien seiner Angestellten unter seinem eigenen Namen, allerdings führte er die Namen der Angestellten auf. Mitarbeiter am Sketchbook waren James Gardner, Timothy H. O’Sullivan (44 Fotos), James F. Gibson, John Reekie, William R. Pywell, John Wood, George N. Barnard, David Knox, David Woodbury und zwei weitere.

Timothy H. O'Sullivan, Field Where General Reynolds Fell, Gettysburg 1863

Zwar betitelte Gardner die Platte mit Field Where General Reynolds Fell, Battlefield of Gettysburg. Aber das Foto erzählt ungeachtet seines Gedenktitels eine viel alltäglichere Geschichte: Sechs Unionssoldaten liegen tot da, mit dem Gesicht nach oben, mit aufgeblähten Mägen, ihre Taschen entleert und ihre Stiefel gestohlen. Eben den blanken Horror und die Realität des Krieges, im Gegensatz zu seinem vermeintlichen Prunk.

Timothy H. O'Sullivan, A Harvest of Death, Gettysburg 1863

Das Foto der verrottenden Toten, die nach der Schlacht von Gettysburg auf ihre Beerdigung warten, ist vielleicht eines der bekanntesten Bilder des Bürgerkriegs, auf alle Fälle aber das berühmteste Foto von Timothy H. O'Sullivan (* um 1840, † 1882). Das Skizzenbuch enthält zehn Fototafeln von Gettysburg – acht von O'Sullivan und zwei von Gardner selbst. Die erweiterte Bildunterschrift, die dieses Foto begleitet, gehört zu den poetischsten von Gardner: Es war tatsächlich eine Ernte des Todes…

Rund hundert Jahre später stellte sich heraus, dass Gardner zumindest eines seiner Motive manipuliert hatte: die Leiche desselben feindlichen Soldaten war auf verschiedenen Aufnahmen in unterschiedlichen Positionen zu sehen – offensichtlich hatte der Fotograf sie wegen des dramatischen Effekts jeweils neu arrangiert.

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