Fotografie? — Vortographie!
Was im ersten Moment wie ein Unfall wirkt gehört tatsächlich zu einer Serie sogenannter Vortographs des amerikanisch-britischen Fotografen Alvin Langdon Coburn (* 1882, † 1966) und markiert die Geburtsstunde der abstrakten Fotografie.
Ungegenständliche Ergebnisse auf lichtempfindlichen Materialien gab es natürlich schon zuvor. Oft waren sie einfach das Ergebnis unzulänglicher Technik in Kombination mit Fehlern des Fotografen. Coburn jedoch gebührt der Verdienst, diese Ästhetik erstmalig systematisch verfolgt zu haben. Um das fotografische Bild optisch von seiner gegenständlichen Vorlage zu lösen benutzte er eine selbst konstruierte Spiegelanordnung, das Vortoskop. Damit erreichte Coburn einen Bruch mit der bis heute gängigen Vorstellung von der Fotografie als Spiegel der Realität.
Vermutlich unter dem Einfluss des mit ihm freundschaftlich verbundenen Dichters Ezra Pound (* 1885, † 1972) schloß sich Coburn nach seiner Übersiedelung nach England den Vortizisten an. Diese avantgardistische Strömung der bildenden Kunst in England wandte sich gegen realitätsnahe Darstellungen in der Kunst, verneinte ihren moralischen Auftrag und bestand auf der Autonomie des Kunstwerks.
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