Ein Cranach-Altar

Lucas Cranach d. Ä., Flügelaltar mit der Verkündigung Mariae und den Hl. Katharina und Barbara Koller-Auktionen, Zürich

Ein bemerkenswerter Stück aus Schweizer Privatbesitz wurde Ende März 2023 bei Koller-Auktionen, Zürich, verkauft: Es handelt sich um einen Flügelaltar mit der Verkündigung Mariae, den Hl. Katharina und Barbara (innen) sowie Christus als Schmerzensmann und Maria als Schmerzensmutter (außen) von Lucas Cranach dem Älteren (* 1472, † 1553) bzw. dessen früher Werkstatt. Vermutlich entstand das Werk um 1515.

Der Altar besticht durch seine leuchtende Farbigkeit und zeigt in virtuoser Detailvielfalt die Meisterschaft Cranachs. Cranach ist überhaupt für seine Vielzahl an verwendeten Pigmenten bekannt. Weit mehr, als dies für Albrecht Dürer (* 1471, † 1528) oder Matthias Grünewald (* 1480, † 1530) bekannt ist. Auch bei diesem Altar wurden hochwertige Pigmente eingesetzt. Es fällt auf, daß bei den Festtagstafeln exquisitere Farben verwendet wurden als bei den Außentafeln.

Das Retabel (Altaraufsatz) zeigt in geöffnetem Zustand auf der Mitteltafel die Verkündigung Mariens. Die Heilige Katharina und die Heilige Barbara flankieren die Szene.

Die Heiligen sind in durch Rundbogen im oberen Teil angedeuteten Nischen platziert.  Durch ihre jeweiligen Attribute, Katharina mit Schwert und Rad, Barbara mit dem Turm, in den sie ihr Vater eingesperrt hatte, ist ihre Identität eindeutig gekennzeichnet. Es gibt keinen Hinweis auf die Lokalität.

Auch die Seitenflügel tragen Inschriften (links, Hl. Katharina): »MORIB I(N)GENIO CATHERI(N)A:STEMATE FELIX: / ET CRISTV ET MARIA:COCILIARE POTEST:« — »Durch ihre Tugend und ihren scharfen Verstand hat sie Ehre erlangt; sie ist glücklich in Christus und Maria«, (rechts, Hl. Barbara): »HANC COLE:SI SVPERIS:SI XPI CORPORE GAVD / ORANTI AVXILIV BARBARA SANCTA FERET« — »In der Hingabe an die Heiligen und an den Leib Christi wird denen, die beten, Freude geschenkt; Die heilige Barbara gewährt ihm Hilfe«.

Die Mitteltafel zeigt einen palastartigen aber wohnlichen Raum mit einem perspektivisch fluchtenden Fliesenboden und Einrichtungsgegenständen. Maria kniet an einem Betpult mit einem geöffneten Gebetbuch. Rechts der Verkündigungsengel mit der Taube des Heiligen Geistes.

Neben dem Betpult steht eine Glasvase mit eine Lilie mit drei Knospen, dem klassischen Mariensymbol. Außerdem eine Akelei, die mit ihren drei Blüten als Symbol für die Dreifaltigkeit steht.

Die lateinische Inschrift oben »AVE MARIA GRACIA PLENA DOMINVS TECVM BENEDICTA TV IN MVLIERIBVS: ET BENEDICTVS FRVCTVS VENTRIS TVI IHESVS CHRIST(VS) AME(N)« kann als »Gegrüßet seist du, Maria, voller Gnade, der Herr ist mit dir, gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus Christus. Amen.« übersetzt werden. Unten steht ECCE ANCILLA DOMINI FIAT MICHI SECVNDVM VERBVM TVVM was »Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.« bedeutet.

An der Rückwand des Raumes ist ein Fenster mit einem Ausblick auf eine Landschaft mit einer von Wasser umrahmten Burganlage zu sehen.

Die Rückseiten der Seitenflügel zeigen den Schmerzensmann und die Schmerzensmutter.

Die beidseitig bemalten Flügel sind typisch für einen liturgischen Kontext: An Festtagen wurden die Flügel aufgeklappt und die Verkündigung mit den flankierenden Heiligen Katharina und Barbara präsentiert. Sie gehören zu den vierzehn Nothelfern, die bei Krankheit und Not Mut schenken sollen. Die Alltagsseite hingegen, in geschlossenem Zustand, zeigt den Schmerzensmann und die Schmerzensmutter für die werktägliche Andacht.

Der Altar entstand während Cranachs Tätigkeit am Wittenberger Hof am Vorabend der Reformation. Vermutlich war eine bedeutende Persönlichkeit aus dem Klerus der Stifter.

Er verbildlicht mit der Verkündigung an Maria, den Heiligen Katharina als Schutzheilige der Kranken und Barbara als diejenige der Sterbenden sowie dem Schmerzensmann und der Schmerzensmutter Freud und Leid der Gottesmutter als Hauptthema.

Der kostbare Hermelinbesatz bei der Kleidung der Maria auf der Mitteltafel und der Heiligen Katharina auf dem Flügel lässt auf eine wohlhabende Auftraggeberschaft schliessen. Die individuellen Gesichtszüge der Dargestellten scheinen darüber hinaus aus dessen persönlichem Umfeld aufgegriffen zu sein.

Die Heiligen Barbara und Katharina auf den Seitenflügeln sind nicht ungewöhnlich bei Altarwerken bei Cranach in der vorreformatorischen Zeit, wie beispielsweise der kleine Klappaltar mit der Auferstehung Christi und den Heiligen Barbara und Katharina, um 1508/09 in der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel zeigt:

Kleiner Flügelaltar mit der Auferstehung Christi, der Hl. Barbara und der Hl. Katharina, Anfang 16. Jh., Gemäldegalerie Alte Meister, Schloss Wilhelmshöhe Kassel

Stilistisch lassen sich die Seiteninnenflügel auch mit den beiden Darstellungen der Heiligen Katharina und Barbara, heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel (Inv.-Nr. GK 12), vergleichen.

Seitenflügel Hl. Katharina und Hl. Barbara, um 1510, Gemäldegalerie Alte Meister, Schloss Wilhelmshöhe Kassel

(Die Mitteltafel zu den Seitenflügeln ging verloren.)

Der Altar erlöste CHF 948.300 (inkl. Aufgeld). Der Schätzpreis hatte zwischen CHF 800.000 und 1.200.000 | (€ 824.740 / 1.237.110) gelegen. 

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