Die wundersame Geschichte des »Lost Mural«

Das verlorene Wandbild — The Lost Mural — hängt jetzt im Eingangsbereich der Ohavi Zedek Synagoge in Burlington, Vermont.

Eigentlich grenzt fast alles am Lost Mural an ein Wunder: Seine Entstehung, sein Überleben — wie auch seine Existenz überhaupt.

Das große bunte Triptychon zeigt das Zelt bzw. die Stiftshütte, wie im Buch Numeri (4. Buch Mose) beschrieben. Dazu den Dekalog (zehn Gebote), flankiert von wilden Löwen, überragt von einer schwebenden Krone und einer herunterstrahlenden Sonne. Es war ein häufig anzutreffendes Motiv in osteuropäischen Synagogen — die allerdings während der Nazi-Barbarei fast alle zerstört wurden. Daß eines dieser Motive in Burlington, Vermont, überlebte, war weithin völlig unbekannt.

ca. 1910

Das Bild wurde von Ben Zion Black, geboren 1886 als Ben Zion Joseph Bloch in Kovno, Litauen, geschaffen. Er kam 1910 als Auswanderer auf der Suche nach seiner großen Liebe, Rachel Saiger, nach Burlington.

Rachel hatte er noch in Litauen kennengelernt, allerdings hatten ihre Eltern etwas gegen die Verbindung. Sie wanderten schon 1905 nach Burlington aus und nahmen Rachel mit. Doch Black ließ sich nicht beirren, hielt mit Briefen und Postkarten Kontakt und sowie er etwas Geld gespart hatte, folgte er Rachel. Die Heirat war 1912.

Bei seiner Ankunft in Burlington wurde die zweite Synagoge, Chai Adam, gerade renoviert und umgebaut. Black bekam 200 $ (heute fast 5.500 $) für die Ausmalung des Heiligtums und für das Wandbild. Allerdings wurde seine Motivwahl von einigen Gemeindemitgliedern mißbilligt. Man störte sich insbesondere an Engeln und Musikinstrumenten. Die Darstellung von Engeln verstößt nach mancher Auffassung gegen das Verbot der Vergötterung von Bildern und am Sabbat ist das Musik machen traditionell verboten. Es sollte Blakes einzige Arbeit in einer Synagoge bleiben.

Die Chai Adam Synagoge. Das Wandbild befand sich in der Apsis, links.

Nach einem kurzen Intermezzo in Boston lebte Ben Zion Black mit seiner Familie ab 1918 noch über fünfzig weitere Jahre als Schildermaler, Dichter, Schauspieler und Musiker in Burlington.

Die Chai-Adam-Synagoge wurde 1939 geschlossen, als die Gemeinde mit einer anderen Synagogengemeinde (Ohavi Zedek) fusionierte. Das Gebäude diente fortan verschiedenen geschäftlichen Zwecken und wurde zuletzt an einen katholischen Händler verkauft, der darin ein Warenhaus und Lager für Teppiche einrichtete.

Das Wandbild über dem Heiligtum im Inneren der Chai Adam Synagoge.

1986 sollte das ehemalige Synagogengebäude nach erneutem Verkauf in ein Wohnhaus umgebaut werden. Aaron Goldberg, der Archivar der Synagoge Ohavi Zedek, war einer der Wenigen, die noch von dem Wandbild wußten. Er überredete den nunmerigen Eigentümer des Gebäudes, das Wandbild nicht zu zerstören sondern eine Wand vor dem Bild zu errichten, um es so zu schützen.

Das letzte Bild 1986, bevor das Wandbild hinter einer Schutzwand verborgen wurde.

2012, nach einem weiteren Verkauf des Gebäudes, sah man die Gelegenheit gekommen, das Bild zu bergen und eventuell zu restaurieren. Erste Untersuchungen ergaben dann, daß eine Restauration zwar schwierig werden würde — aber machbar sei.

2021 war das Projekt abgeschlossen.

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