Das lächelnde Mädchen

Gerrit van Honthorst, Lächelndes Mädchen, 1625

Gerrit van Honthorst (auch Gherardo della Notte, Gerard van Honthorst, Gherardo Fiammingo oder Gerardo van Hermansz) (* 1592, † 1656) war ein niederländischer Maler. Die Grundlagen der Malerei erlernte er von seinem Vater, einem Dekorationsmaler. Anschließend nahm er gemeinsam mit seinem Zeitgenossen Hendrick ter Brugghen weiteren Malunterricht bei dem angesehenen Utrechter Meister Abraham Bloemaert. Als einer der ersten Utrechter Künstler unternahm van Honthorst eine Reise nach Italien, wo er im Jahr 1616 in Rom mit der Kunst von Michelangelo Merisi da Caravaggio in Berührung kam. Caravaggio übte einen immensen Einfluss auf den Niederländer aus. Seine Begeisterung für den Italiener war groß und schlug sich deutlich in seinem Werk nieder, so daß er und seine Mitstreiter, zu denen von Anfang an sein Studienfreund ter Brugghen sowie Dirck van Baburen zählten, auch als Utrechter Caravaggisten bezeichnet wurden. Diese Malschule erwies sich als überaus erfolgreich und einflussreich, sie prägte unter anderem das Werk späterer Meister wie Rembrandt van Rijn, Frans Hals und Johannes Vermeer.

Das Lächelnde Mädchen von 1625 scheint auf den ersten Blick ein einfaches Bild einer lächelnden jungen Frau zu sein. Tatsächlich ist es aber das Porträt einer Prostituierten, für die das Bild zu Werbezwecken gemalt oder von einem ihrer Liebhaber in Auftrag gegeben wurde. Das Mädchen hält ein Medaillon mit der Aufschrift Wer kennt meinen Hintern in der Hand.

Bildausschnitt

Das Gemälde hängt im Saint Louis Art Museum.

Das Lächelnde Mädchen taucht in mehreren Bildern von van Honthorst auf. So, wie auch hier:

Gerrit van Honthorst, Die Kupplerin, 1625

Das läßt trefflich über eine persönliche Beziehung des Malers zu seinem Modell spekulieren. (Die Kupplerin — Heiratsvermittlerin? Zuhälterin? — ist übrigens die alte Frau links im Bild.)

Gerrit van Honthorst, Die Schäferin hält eine Pflaume

Das Werk Der standhafte Philosoph wurde 2014 bei Lempertz, Köln, für 826.000 € verkauft — und blieb damit etwas unter den Erwartungen.

Gerrit van Honthorst, Der standhafte Philosoph

Der Titel des Bildes erschließt sich nicht einfach. Er wird erst verständlich wenn man weiß, daß es sich um eine Wiederholung eines anderen Standhaften Philosophen handelt.

Der Standhafte Philosoph, Hohenbuchau Collection

Mitunter wird behauptet, daß es sich nicht nur um eine einfache Widerholung handeln würde. Begründet wird dies mit der Bildwirkung — einem sehr subjektiven Gefühl. Der unmittelbare Vergleich zeigt aber, daß beide Philosophen nahezu identisch sind, daß das Gefühl in die Irre führt. Gerrit van Honthorst hat lediglich den Bildausschnitt verengt so daß es wirkt, als sei die Figur des Philosophen näher an den Betrachter gerückt. Jeder Fotograf kennt den Effekt (oder sollte es zumindest) der entsteht, wenn man mit einer längeren Brennweite Details aus einem größeren Motiv herausnimmt. Ob van Honthorst hier mit einer Camera Obscura gearbeitet hat? — Durch Verdichtung und Fokussierung auf die Figur wird eine kraftvolle, dominantere und lebensnahe Wirkung der bewegten Einzelfigur erzeugt.

Anmerkenswert scheint auch der alte Fotografen-Spruch Vordergrund macht Bild gesund. Van Honthorst beherrscht die Perspektive ausgezeichnet. Es ist der im Vordergrund liegende Teppisch mit der umgeschlagenen Ecke, der dem Bild Raum und vor allem Tiefe gibt.

Auch 2011 wurde ein Gemälde von van Honthorst bei Lempertz versteigert:

Gerrit van Honthorst, Bildnis einer Dame, 1638

Es erlöste lediglich 24.200 € — lag damit aber dennoch über dem Schätzpreis (17.000 bis 20.000 €).

Möglicherweise zeigt es Elisabeth Stuart, Gemahlin Friedrichs V. von der Pfalz, die nach dem Verlust der Böhmischen Krone in Den Haag im Exil lebte.

Warum Gerrit van Honthorst auch der Caravaggio von Utrecht genannt wurde, wird neben seinem Bild von der Kupplerin (oben) insbesondere auch in seinem Werk Der Zahnarzt deutlich:

Gerrit van Honthorst, Der Zahnarzt, 1622

Das Bild zeigt ein "typisch" niederländisches Motiv jener Zeit: Der Patient (das Opfer?) sitzt auf einem Stuhl, um ihn herum haben sich Helfer und interessierte Zuschauer versammelt. Ein lächelnder Zahnarzt zieht den Kopf des Mannes nach hinten und versucht ihm rabiat mit einer Zange einen Zahn zu ziehen. Der Patient hat offensichtliche Schmerzen, seine abwehrende Hand wird von einem weiteren Mann festgehalten, damit er die Prozedur nicht unterbrechen kann. Ein Junge erleuchtet die Szene mit einer Kerze, schirmt jedoch das Kerzenlicht mit seiner Hand vom Betrachter ab, so daß die mittige Szene sozusagen von "innen heraus", indirekt, beleuchtet wird.

Die Licht- und Schattenführung ist unverkennbar, wenngleich van Honthorst ein milderes, weicheres Licht als sein Vorbild bevorzugt. Seine Vorliebe für nächtliche, von Lampen oder Kerzen erleuchtete Szenen trug ihm den Spitznamen Gherardo della Notte ein.

Solche Genreszenen waren beim höheren, aufstrebenden Bürgertum beliebt. Die Bilder hingen nicht selten in den besseren Stuben und führten dem Betrachter das Elend der niederen Schichten vor, dienten der Abgrenzung zum vermeintlichen Pöbel. Extreme emotionale Regungen waren in diesen Kreisen verpönt, umso amüsanter fand man es, sie in solchen Bildern so unverfroren präsentiert zu bekommen.

Leider ist mein Digitalisat nicht besonders gut, weswegen die linke Bildseite im Dunkel verschwindet.

Ausschnitt

Im Original ist dort nämlich ein Junge zu sehen, der einem der durch den Vorgang abgelenkten Zuschauer gerade den Geldbeutel stiehlt. Auch dieses Detail wird dem Auftraggeber des Bildes sehr gefallen haben. Wer es genauer sehen will, wird nach Dresden fahren müssen. Denn dort hängt das originale Bild in der Galerie Alte Meister der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD).

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