Dada-Katzen

Otto Dix, Katzen (Theodor Däubler gewidmet), 1920 Grisebach

Katzen, Anfang 1920 von Wilhelm Heinrich Otto Dix (* 1891, † 1969) auf dem Höhepunkt seiner Dada-Phase geschaffen, paßt in keines der üblichen Dix-Klischees. 

Katzen ist weder realistisch noch sozialkritisch. Das Bild kommt lustig und harmlos daher. Es zeigt Katzen auf den Dächern einer Stadt und bedient sich dazu einer naiven Formensprache. Dix verzichtet auf perspektivische Verkürzungen, alle Bildelemente sind flach, wie ausgeschnitten, die Häuser und Fenster sind auf Rechtecke reduziert. Wie aufgestapelte Bauklötzchen wirken die einzelnen Farbflächen.

Über die ansteigende Dachsilhouette klettern zwei Katzen wie über eine Treppe nach oben zum Vollmond, den das vorangehende Tier mit erhobener Tatze und geöffnetem Maul anmiaut. Die dritte Katze scheint vor dem Nachthimmel zu schweben aber tatsächlich balanciert sie auf Stromleitungen. Das erschließt sich über die weißen Porzellanisolatoren, die Dix wie Perlen einer Perlenkette übereinander aufgereiht hat. Die Katzen sind im Vergleich zur Architektur viel zu riesig.

Unter dem Titel Theodor Däubler gewidmet zeigte Dix das Bild erstmalig 1920 auf der Berliner Kunstausstellung. Später wurde der Haupttitel zum Nebentitel.

Hugo Erfurth, Otto Dix, ca. 1933

Dix hatte Däubler, den ein circa 30.000 Verse umfassender romantischer Gedichtzyklus bekannt gemacht hatte, Anfang 1919 in Dresden kennengelernt. Vermutlich geschah dies im Kreis um den Pianisten und Komponisten Erwin Schulhoff, mit dessen Schwester Viola Dix zu jener Zeit liiert war. Die aus einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie stammenden und wohlhabenden Schulhoff-Geschwister bewohnten eine elegante Mietwohnung, die in diesem bitterkalten und von Not geprägten Hungerwinter zum Künstler-Treffpunkt wurde. Hier verkehrten nicht nur Violas Freunde aus der Kunstgewerbeschule, sondern auch Mitglieder der neu gegründeten Dresdner Sezession Gruppe 1919, darunter Otto Dix, wie auch etablierte Vertreter des Dresdner Kulturlebens. Und eben auch Theodor Däubler, der sich im ersten Halbjahr 1919 mehrere Monate in Dresden aufhielt.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs herrschte eine allgemeine Aufbruchstimmung.  Däubler war zu jener Zeit ein ständiger Mitarbeiter des Kunstblatt, der seinerzeit wichtigsten Publikation über junge Kunst in Deutschland. Der Lyriker bereitete ein Essay über den noch weitgehend unbekannten Dix vor, womit sich diesem eine große Chance eröffnete. Denn seit Däubler Paul Klee und George Grosz bekannt gemacht hatte, galt er als Entdecker unbekannter aber großer Talente.

Theodor Däublers Dix-Artikel erschien erst mit erheblicher Verspätung im Aprilheft des Kunstblattes 1920, so daß er bei Erscheinen schlichtweg veraltet war. Der Artikel wurde ohne die Abbildungen der eigentlich besprochenen Werke aber dafür mit zwei neueren Holzschnitten, darunter der Holzschnitt Katzen, der das Gemälde Katzen umsetzt, illustriert. Damit zielte der Artikel auf die Kunstausstellung Berlin 1920, auf der Dix das Gemälde Katzen unter dem Titel Theodor Däubler gewidmet erstmalig ausstellte.

Für Otto Dix war die Kunstausstellung Berlin wichtiger als die ebenfalls im Sommer 1920 veranstaltete Erste Internationale Dada-Messe. Zwar gilt diese als die wichtigste Veranstaltung der Dadaisten in Berlin, hatte aber ein sehr elitäres Publikum. Nicht nur, daß sie in einer Privatgalerie, dem Kunstsalon Dr. Otto Burchard, durchgeführt wurde; sie umfaßte zudem lediglich zwei Räume, für deren Besuch ein exorbitant hoher Eintritt gezahlt werden mußte.

Ganz anders die Kunstausstellung Berlin, die jährlich im Glaspalast am Lehrter Bahnhof stattfand und eine höchst offizielle Veranstaltung der Weimarer Republik mit großem Publikumszulauf war. Da es sich um eine öffentlich finanzierte Veranstaltung handelte, fand sie entsprechende Beachtung in der Presse und allfällige Kunst-Skandale schaukelten sich schnell zum Politikum hoch.

Auf dieser Ausstellung also waren erstmalig drei Exponate mit Collage-Elementen von Dix zu sehen: neben Katzen die Collagen Matrose Fritz Müller aus Pieschen und Die Elektrische. Diese Bildauswahl war ein Dankeschön für Däublers nun endlich erschienenen Essay und das Gemälde Katzen ein dadaistischer Lobpreis auf das Werk des Dichters und seinen Einsatz für die aktuelle Kunst.

Die Elektrische erlöste 2012 bei Sotheby’s London 2.950 000 £. Der Schätzpreis hatte zuvor zwischen 700.000 und 1.000.000 £ gelegen.

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