Amore
Michelangelo Angelo Merisi da Caravaggio (* 1571, † 1610) malte Amor als Sieger — Amor vincit omnia — 1602 im Auftrag von Vincenzo Giustiniani dem Jüngeren (* 1564, † 1637), einem römischen Adligen und Kunstsammler. 70 der von ihm gesammelten Gemälde kamen 1815 nach Berlin und bildeten 1830 den Grundstock des Alten Museums.
Der siegreiche Amor geht auf den Triumph des Eros über den Pan zurück. Pan steht für alles. Liebe besiegt also alles. Die zerrissene Sehne des Bogens zeigt, daß die Waffe ihren Zweck erfüllt hat und nicht mehr gebraucht wird. Die Symbole der weltlichen Macht, der Kunst und der Wissenschaft vertreten Pan. Dadurch wird die Botschaft der Allmacht der Liebe zeitloser und leichter verständlich. Amors Sitz ist ein Himmelsglobus — sein Sieg reicht also über das Irdische hinaus. Die provozierende Nacktheit ist jedoch nicht göttlich, sondern bleibt rein auf das Modell bezogen. Auch dies ist eine Verdinglichung, ebenso wie die Gegenstände, die Pan ersetzen.
Das Gemälde wurde insbesondere von Vertretern der Kirche als Skandal empfunden.
Caravaggios Rivale Giovanni Baglione (* 1566, † 1643) schuf daraufhin als kirchentreues Gegenstück das Bild Der himmlische Amor besiegt den irdischen Amor. In seinem Bild ertappt der gerüstete himmlische Amor, der eine Ähnlichkeit mit dem Erzengel Michael hat, den irdischen Amor mit einem Dämon. Der irdische Amor hält in der linken Hand zerbrochene Pfeile als Zeichen seiner Machtlosigkeit gegenüber den himmlischen Kräften. Das andeutungsweise zum Betrachter hin gewendete Gesäß des irdischen Amor wird als Anspielung auf Caravaggios mögliche homosexuelle und päderastische Neigungen gedeutet.
Caravaggio und seine Freunde rächten sich mit wüsten Schmähgedichten voller sexueller Anzüglichkeiten an Baglione. Das brachte Caravaggio einen Prozeß wegen Verleumdung und eine kurze Haft ein. Was aussah wie ein banaler Streit unter rivalisierenden Künstlern, war tatsächlich ein Streit um die Freiheit der Kunst gegen die Kirche. Später mußte Caravaggio wegen einer Mord-Anklage aus Rom fliehen.
2014 wurde Caravaggios Werk erneut Gegenstand der Kritik. In einem Offenen Brief wurde von der Berliner Galerie verlangt, es abzuhängen oder ihm doch wenigstens seinen prominenten Platz zu entziehen. Begründet wurde dies mit der Obzönität der Szene und dem vermuteten Alter des Modells. Die Berliner Gemäldegalerie wies diese Forderungen zurück.
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