Advent, Advent — ein Lichtlein brennt.

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Ein Adventskalender gehört seit dem 19. Jahrhundert zum christlichen Brauchtum in der Zeit des Advents und zeigt typischerweise die verbleibenden Tage bis Weihnachten an. Adventskalender sollen, ähnlich wie der Adventskranz, die Wartezeit bis zum Weihnachtsfest verkürzen und die Vorfreude steigern. Ursprünglich aus einer lutherischen Sitte Deutschlands stammend, gehören Adventskalender heute in christlich geprägten Ländern zur Vorbereitung auf das Fest der Geburt Jesu Christi.

Zunächst war der Adventskalender vor allem Zählhilfe und Zeitmesser, die Ursprünge lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In der einfachsten Variante wurden mit Kreide 24 Striche an die Wand oder Tür gemalt und die Kinder durften täglich einen Strich wegwischen. In der katholischen Version wurden Strohhalme in eine Krippe gelegt, für jeden Tag einer, bis zum Heiligen Abend. Damit das Christkind bei seiner Geburt ein gemütliches Bett vorfindet. Oder es wurden nach und nach 24 religiöse Bilder an die Wand gehängt. Der erste selbstgebastelte Adventskalender stammt vermutlich aus dem Jahr 1851. 

Thomas Mann erwähnt in seinem Roman Buddenbrooks den Advent des Jahres 1869, in dem der kleine Hanno das Nahen der Weihnachtszeit auf einem von der Kinderfrau angefertigten Abreißkalender verfolgt:

„Unter solchen Umständen kam diesmal das Weihnachtsfest heran, und der kleine Johann verfolgte mit Hilfe des Adventskalenders, den Ida ihm angefertigt und auf dessen letztem Blatte ein Tannenbaum gezeichnet war, pochenden Herzens das Nahen der unvergleichlichen Zeit.“

1902 veröffentlichte die Evangelische Buchhandlung Friedrich Trümpler in Hamburg den ersten (bekannten) gedruckten Kalender in Form einer Weihnachtsuhr für Kinder mit den Zahlen 13 bis 24 auf dem Zifferblatt. 1903 brachte der Münchner Verleger Gerhard Lang einen gedruckten Kalender mit dem Titel Im Lande des Christkinds auf den Markt. Er bestand aus einem Bogen mit 24 Bildern zum Ausschneiden und einem Bogen mit 24 Feldern zum Aufkleben. Der 1. Dezember war dabei ein eher willkürlich gewähltes Datum. Das Kirchenjahr beginnt am ersten Advent und somit hat die Adventszeit 22 bis 28 Tage. Aus diesem Grund gab es auch Nikolaus-Kalender, die den 6. Dezember zum Startdatum hatten.

Die 1920er Jahre gelten als eine der Hochzeiten der gedruckten Adventskalender. Sie wurden oft von mehr oder weniger bekannten Kinderbuchillustratoren, Plakatkünstlern oder Gestaltern von Grußkarten, Malbüchern, Kinderspielen und Spielkarten in immer vielfältigeren Formen und Ausprägungen gestaltet. Auch entwickelten sich profane Kalender, ohne religiöse Motive und Bezüge. Die sogenannten Erika-Kalender etwa zeigten häufig moderne Motive wie moderne Transportmittel von Eisenbahnen über Autos bis hin zu Flugzeugen oder auch Verkehrspolizisten.

Ebenso verbreiten sich nach 1920 Kalender mit Fensterchen, die man öffnen konnte. Diese heute am meisten verbreitete Gestalt des konventionellen Adventskalenders geht vermutlich auf einen evangelischen Pfarrer zurück. Er wandelte diverse Ideen ab und versteckte hinter 24 Türchen Bilder mit Gestalten aus biblischen Geschichten. Die lithografische Anstalt von Reichhold & Lang in München genoß bis in die 1930er den Ruf, die kunstreichsten und fantasievollsten Werke herauszugeben. Lang gilt auch als der Hersteller des ersten Schokoladen-Adventskalender, bei dem sich hinter jedem Türchen ein Stückchen Schokolade befand.

Sachsen entwickelte sich über die Zeit immer mehr zu einem Zentrum der Produktion von Adventskalendern. Auch die übrige Produktion hatte einen Schwerpunkt im Osten Deutschlands, so in Berlin, Zittau, Magdeburg oder Reichenau. Ebenso wurden Adventskalender zum Export-Artikel. Außer in Österreich wurden sie erfolgreich nach England verkauft.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde versucht, die christlichen Weihnachtsbräuche im öffentlichen Leben zurückzudrängen. Es gab Kalender unter dem Aspekt der Deutschen Weihnacht, mit Soldaten als Motiven in denen der Dezember Julmond und das Weihnachtsfest Julfest genannt wurde. Der Zentralverlag der NSDAP, der Franz-Eher-Verlag, entwickelte einen Kalender mit Bastelanleitungen für hölzernen Weihnachtsbaumschmuck in Form von Runen und Sonnenrädern, Klausenbäumen aus Kartoffeln sowie sogenannten Weihnachtsgärtlein, die die Krippen unter dem Weihnachtsbaum ersetzen sollten. Insbesondere während des Zweiten Weltkrieges wurden die Kalender immer mehr zu Propaganda-Artikeln.

Schnell nach dem 2. Weltkrieg setzte die Sehnsucht nach einer „heilen Welt“ ein, die auch die Weihnachtszeit einschloss. Schon ab 1945 wurden in allen Besatzungszonen wieder Adventskalender produziert. Meist wurde auf Motive aus der Zeit um 1930 zurück gegriffen.

Recht bald wurden die Kalender immer internationaler gestaltet und waren neben in englischer auch in vielen anderen Sprachen verfügbar. Heimkehrende US-Soldaten sorgten für einen Verbreitungsschub. Nachdem im Magazin Newsweek im Dezember 1953 ein Bild des Eisenhower-Enkels mit einem Adventskalender zu sehen war, stieg die Nachfrage massiv an. Viele der verschiedenen Kalender erklären sich aus den unterschiedlichen Traditionen der Länder, für die sie hergestellt werden. So wird bei Schweizer Kalendern auf Nikoläuse verzichtet, in den USA haben die Engel keine Flügel und im Vereinigten Königreich werden religiöse Motive bevorzugt. Ebenso wurden die Kalender als Werbeträger für Firmen entdeckt.

Nach 1945 setzte sich endgültig der Kalender beginnend vom 1. Dezember mit 24 Türchen durch. Gegenwärtig stecken hinter den Türchen eines gekauften Produkts neben den Bildchen oftmals Schokoladenstücke in verschiedenen Formen oder auch Spielzeug. Ein Trend, der sich einer ungebrochenen Beliebtheit erfreut.

Der Einfallsreichtum kennt auch nur wenige Grenzen, scheint aber dennoch an einem Endpunkt angelangt zu sein.

So kann man sich die Adventszeit ideal am Arsch vorbeigehen lassen. Nur noch 24 Häufchen bis Weihnachten.

Ja. Wer's braucht.

Wie der Kalender zum Bestseller Nr. 1 in der Kategorie Geschenkartikel für Ostern geworden ist, ist mir etwas rätselhaft. Advent und Ostern wollen wirklich nicht so richtig zusammen passen. Und über einen Penis-Adventskalender will ich lieber gar nicht erst nachdenken.

Vielleicht sind solche lustigen Geschenke mit witzigen Bildern nur Ausdruck einer wirklich grenzenlosen Leere.

Egal: Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, wünsche ich Ihnen einen schönen und besinnlichen Advent. Egal ob mit oder ohne Adventskalender.

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